Prequel 2 Wächterin

I

William ist wirklich pünktlich, stellt Lisa-Louise fest. Drei Tage, 12 Uhr mittags. Ihm liegt etwas an mir, nickt sie.

Lächelnd öffnet sie die Tür.

„Komm rein, William. Ich freu mich, dass du gekommen bist.“

Er bleibt wie angewurzelt stehen. Weil er sie ansehen muss.

„Mein Gott“, bricht es aus ihm heraus, „du bist so schön, so wunderschön. Mein Traum von dir kommt nicht im Entferntesten an die Wirklichkeit heran.“

Sie hat extra ein Kleid angezogen. Eines, das ihre Mutter ihr vor drei Ewigkeiten geschenkt hat. Sie hat es getragen und ihre Mutter auch. Das kann man heute nicht mehr kaufen. Es passt wie angegossen. Die Schönheitsgene haben sich vererbt, hat sie vor dem Spiegel-Hologramm gedacht, als sie sich um sich selbst drehte. Ihre nackten Beine, ihre schlanken Fesseln in den Ballerinas.

„Danke für dein Kompliment, mein Lieber!“

Sie dreht sich um sich selbst, mutwillig folgt sie diesem Impuls wie das junge Mädchen, das sie gewesen ist, es auch tat, wenn Dad und Mami ihre Schönheit lobten.

Plötzlich stecken die drei Kinder, deren Pflege sie übernommen hat, die Köpfe zum Fenster neben der Eingangstür hinaus.

„Kommt ihr endlich rein, wir haben Hunger!“

Lisa-Louise nimmt die Hand vor den Mund und lacht unterdrückt. Dann sieht sie ihren Gast an.

„Gut schaust du aus, aber du brauchst was Neues zum Anziehen. Und jetzt komm mit rein, sonst bleibt nichts für uns beide übrig vom Mittagessen.“

Sie nimmt seine Rechte und zieht ihn in die Diele. Dort zieht sie ihn an sich und gibt ihm ein kleines Küsschen auf den Mund.

– – –

Als er in der Wohnküche ihr gegenüber Platz genommen hat, ist er immer noch perplex. Erst hat sie vor ihm getanzt wie ein Wildfang, und dann hat sie ihm einen Kuss gegeben. Mitten auf den Mund.

Er weiß nicht so recht, was ihm geschieht. Der Eindruck verstärkt sich, als er plötzlich Mia neben sich spürt.

Das Puma-Weibchen hat sich in ihrer unnachahmlichen Art angeschlichen. Sie sitzt neben ihm und fixiert ihn mit ihren großen, scharfen Augen. Er hat den Eindruck, als wolle sie etwas von ihm.

„Sie wartet darauf, dass du sie begrüßt“, erklärt seine Gastgeberin.

Er zögert.

„Du musst deine Hand auf ihren Kopf legen. Bewege dich dabei langsam und ruhig, damit du sie nicht erschreckst“, fügt Constanze, die älteste der drei Kinder, hinzu, bevor sie beginnt, sich genussvoll ein Brot zu schmieren.

Die große Katze fixiert ihn immer noch. Er meint, dass sie den Kopf leicht schräg stellt, als verstünde sie seine Zurückhaltung nicht ganz.

„Trau dich“, lacht Ben, der Kleinste, ihn an, „sie ist ganz lieb und beißt nicht. Gar nicht.“

Das „Garnicht“ spricht der Junge betont langsam und pointiert.

William ist immer noch zögerlich. Wilde Tiere sind gefährlich. Es gibt in Europa Pumas, die aus Zoos und Tierparks stammen, um die sich niemand mehr kümmerte. Tierliebe Wärter haben manchmal die Gehege geöffnet, bevor sie mit vielen der anderen Einwohner Mitteleuropas vor den bürgerkriegsähnlichen Zuständen geflüchtet sind. Zuerst in die großen Städte und später nach Übersee.

Mittel- und Westeuropa ist seit dieser Zeit, sie liegt ungefähr 100 Jahre zurück, nur noch sehr dünn besiedelt. Bis auf einige Großstadtregionen, wie München, Paris, Marseille, Rom, Neapel, Madrid, Barcelona, Lissabon. Der Rest ist so etwas wie versteppte und teilweise bewaldete Wildnis. Erst mit der Besiedlung des Umfelds der Stationen, also der Exklaven, die die Energie verwaltet und schützt, entstehen wieder Höfe, dann Weiler und schließlich größere Siedlungen bis zu kleineren Städten.

Vorsichtig streckt William seine Hand aus und legt sie auf den Kopf der Großkatze. Sie schnurrt vernehmlich, erhebt sich majestätisch und geht einen Schritt auf ihn zu. Er schiebt seinen Stuhl erschreckt zurück.

„Mia tut dir nichts. Sie liebt es, wenn man sie in den Arm nimmt und auf den Kopf küsst“, beruhigt ihn Lisa-Louise, „es ist eine Ehre, dass du das darfst. Sie mag dich offensichtlich sehr.“

– – –

Als er sich überwunden hat, erwartet ihn ein wunderbares Erlebnis. Das große Tier schnurrt und legt sich neben ihn. Er muss die Rechte auf ihrem Kopf lassen. Sonst stupst sie ihn mit ihrer Nase.

Das Mittagessen ist ein großes Vergnügen. William hat sich schon lange nicht mehr so wohl, so zu Hause, gefühlt. Als er gehen will, fragen ihn die Kinder, warum er nicht einfach bleibt. Es ist, als ob sie ahnen, dass er in der Wildnis kampiert. Dass er allein ist, seit einigen Jahren schon. Dass er seine Eltern verloren hat, als die AN in Südosteuropa einmarschiert ist. Dass er seitdem durch sein Leben treibt, weil ihn die Trauer gelähmt hat – bis er sie, Lisa-Louise, zum ersten Mal gesehen hat, dort am Uracher Wasserfall. Seitdem ist alles anders.

„Ja, warum bleibst du nicht einfach ein bisschen“, meint Lisa-Louise und lächelt ihn an.

„Wir haben freie Zimmer. Eins haben Constanze und ich hergerichtet. Dahlia hat mitgeholfen. Elly und Raleigh haben aufgepasst.“

Die drei Kinder kichern.

William, der schon den ganzen Abend sehr sprachfaul und zurückhaltend gewesen ist, weiß nicht recht, wie ihm geschieht.

„Danke für das Angebot. Aber ich muss darüber nachdenken.“

„Nimm dir die Zeit, die du brauchst, William. Wir laufen dir nicht weg. Du weißt ja, wo du uns findest.“

Sie sieht ihn dabei freundlich, fast zärtlich an und stellt ihren Kopf schräg. Wie Mia, die Großkatze. Wer das wohl von wem abgeschaut hat?

An der Haustür nimmt sie ihn spontan in den Arm und schmiegt sich an ihn.

Er ist überwältigt und braucht einige Augenblicke, bis er sie seinerseits in seine Arme schließt. Doch dann trinkt er mit einem tiefen Seufzer den Duft ihrer Haare, ihres Körpers, ganz tief in sich hinein.

Als sie sich von ihm löst, schlägt sie die Augenlider nieder.

„Bis bald“, sagt sie und drückt seine Hand, als er sich umwenden will.

II

Mia und Raleigh begleiten ihn hinaus aus dem Dorf und in die Weite der versteppten Alblandschaft. Sie haben einen klaren Auftrag ihrer Herrin.

Ihr beide bringt ihn sicher zu seinem Lager. Oder dahin, wo er sich einquartiert hat. Ihr passt auf ihn auf.

Raleigh hat sie gefragt: Aber der ist doch ein Fremder. Er gehört doch nicht zu uns. Warum soll ich ihn schützen?

Weil ich es dir sage, will Lisa-Louise schon sagen. Doch sie besinnt sich anders.

Weil er ein Teil von mir ist. Also musst du ihn bewachen wie mich. Er ist dein Liebstes, weil er mein Liebstes ist.

Es ist, als ob sie sich gerade ihre Gefühle selbst erklärt hat. Ihre großen blauen Augen beginnen überzulaufen, und der kleine Mathys versucht, auf ihrer linken Schulter sitzend, diese Tränen aufzulecken. Er mag Tränen, weil sie so schön salzig schmecken und ihm und seinem kleinen Bäuchlein guttun.

Des einen Leid ist des anderen Freud, denkt Lisa-Louise. Und dann fährt sie fort: Du wechselst dich mit Dahlia ab, Raleigh. Nachts habt ihr Mia als Verstärkung. Ich werde mir für uns etwas einfallen lassen.

Die Tränen rinnen ohne Ende, und ihre Mutter hat wie immer ein Gespür, wenn ihre Kinder in Schwierigkeiten geraten. Ob sie vielleicht durch Nika, ihre Wächter-Mentorin, aktiviert worden ist? Wer weiß.

Lisa, meine Schönste, meldet sich Beth, die Marschallin der Energie, was macht dich so traurig?

Ach, Mommy, ich bin schockverliebt, und das tut so furchtbar weh. Ich habe gar nicht gewusst, dass Glück so schmerzen kann. Gelesen habe ich drüber, aber geglaubt habe ich es nicht, eher immer für eine Übertreibung gehalten.

So schlimm, mein Schatz?

Schlimmer, viel schlimmer!

Darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen, meine große wunderbare Tochter?

– – –

Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich mir die Augen ausgeweint habe wegen der Liebe!

Lisa fühlt sich von den guten Gedanken ihrer Mutter regelrecht aufgehoben. Sie legt sich hinein, seufzt und flüstert: Lass hören, Mommy, ich bin total gespannt. Wer ist denn der Verursacher gewesen? Kenne ich ihn?

Das glockenhelle, ansteckende Lachen ihrer Mutter hört sie selbst beim Zusammendenken. Es zaubert ein Lächeln auf ihr verweintes Engelsgesicht. Wenn Mommy lacht, gibt es keine Trauer, keine Düsternis mehr, hat ihr Vater immer gesagt. Wie sie ihn gerade vermisst!

Aber klar kennst du ihn! Ohne ihn gäbe es dich gar nicht!

Ist es Daddy gewesen, der dich hat fast an der Welt und der Liebe verzweifeln lassen?

Genau, dieser geliebte, böse Mann hat mir mindestens einmal das Herz gebrochen und mich beinahe an ihm und meinem Leben verzweifeln lassen! Aber am Ende habe ich ihn bekommen. Er hat mir euch Kinder geschenkt und ein tolles Eheleben. Um nichts in der Welt gebe ich ihn jemals her!

Du meinst, die Schmerzen und das Warten haben sich gelohnt?

Spätzchen, ich habe Jahre auf ihn gewartet. Mehr als zehn. Es waren zweimal sieben, nicht nur einmal. Er hat mit einer anderen drei Kinder gehabt, deine Stiefgeschwister, die ich sehr liebe, weil sie Teil von ihm sind.

Du meinst, schlimmer könnte es kaum kommen?

Doch, es geht schlimmer. Nämlich dann, wenn man den Lebensmenschen nicht für sich gewinnen oder bei sich behalten kann. Mir ist am Ende beides gelungen. Den Weg dahin sehe ich als Vorbereitung auf das, was dann gekommen ist: mein Glück und die Zeit mit ihm und beispielsweise dir und deinen Geschwistern genießen. Es könnte bald zu Ende sein.

Darf ich dich etwas fragen? Kann es sein, dass Frauen doppelt weinen?

Wie meinst du das?

Ja, oben und unten.

Tochter, jetzt höre ich deinen Vater, aber so was von. Du bist ebenso unglaublich wie unmöglich.

Kennst du das denn nicht?

Und ob ich das kenne, Tochter mein, und ob ich das kenne!

– – –

Welche andere Tochter kann sich glücklich schätzen, eine solche Mutter zu haben, die zugleich der mächtigste Mensch der Welt ist? Mit ihr kann man über alles reden. Sie nimmt sich die Zeit – auch wenn es ihr schwerfällt.

Seitdem die Ordnung und die Arian Nation besiegt sind, sortiert sich dieser Planet neu. Das schafft Chancen. Aber es schafft auch Unsicherheiten, Gefahren, Risiken. Zu ihnen gehören die Marodeure, die ihr Dorf fast vernichtet haben.

Ihr in der letzten Schlacht schwer verletzter Vater ist seitdem der erste perfekte Cyborg. Eine Mischung aus Mensch und Robo, dem man genau das nicht anmerkt. Es sieht nach außen so aus, als wäre er komplett wiederhergestellt. Nach außen. Aber nach innen?

Lisa-Louise liebt ihren Daddy. Aber er war nicht mehr derselbe. Er ist anders. Er denkt anders. Er fühlt anders. Er kann nicht damit umgehen, dass die, die die AN angeführt haben, sich ihrer Strafe bisher haben entziehen können.

Auch wenn er seine Kinder und seine Frau, die Marschallin, vielleicht noch inniger liebt als zuvor, schwelt in ihm eine unglaubliche Wut. Ihnen hat er es zu verdanken, dass er wieder fast so leben kann, als wäre nichts geschehen. Sie haben alles in Bewegung gesetzt, damit er wiederhergestellt wird. Alles.

Er ist ganz tief unten wie ein Vulkan im kritischen Zustand und kann jederzeit ausbrechen. Es muss Gerechtigkeit geschehen, nagt eine innere Stimme in ihm. Und du, Lou, bist es, der die Pflicht hat, sie herzustellen. Doch die Marschallin will das nicht. Noch nicht.

Lisa-Louise hat bei seiner Wiederherstellung mitgewirkt. Es war ihr das Wichtigste, bis es gelungen war.

Sie ist erst hinaus in die Wildnis, zu den Fledermäusen in die Wohnhöhle im Karst der Alb gegangen, als sie sicher gewesen ist, dass er wieder gut leben kann und wird. Zusammen mit Svenja und Nina hat sie Wunder gewirkt. Ohne das Team abzuwerten, ohne das wäre er gar nicht so weit gekommen. Nämlich: als Cyborg seine Wiederauferstehung zu feiern.

Nicht erst seit dieser Zeit liebt sie Sue, ihre Stiefschwester, so sehr wie sich selbst. Die Rettung und Wiederherstellung des Vaters hat alle Kinder ihres Vaters zu einer Einheit zusammengeschweißt. Wir sind eins, denkt sie ins Universum. Das Echo ist fünffach: Wir sind eins.

Sue, Liebe, ich brauche einmal Combat-Ausrüstung komplett. Ich gebe dir gleich die Maße durch. Ja, auch die Waffen und eine Com.

Für wen?

Einfache Frage, komplizierte Antwort: William Marin heißt er, und er wird auf der Farm mit mir, den Kindern und Mia wohnen.

Wie kommt’s?

Keine Ahnung. Schockverliebt.

Und er?

Er auch, er weiß es nur nicht.

Noch nicht?

Hoffentlich.

Count it as done, Lisa, Liebe.

Lesley-Lou und Ludovic arbeiten bei den Gleitern und der Robos bzw. Droiden.

Hört zu, ihr zwei beiden. Ich brauche asap je einen Kampfrobo und einen Droiden. Konditioniert werden sie von mir hier.

OK, Schwesterherz, du weißt, dass wir das in den Dienstweg geben müssen.

Ich weiß, ihr zwei. Aber anfangen, die beiden persönlichen Assistenten herzustellen, das könnt ihr doch schon mal, oder?

Yej, da hat’s aber jemand eilig.

Habe ich.

Ist es der Bursche, der dir dein Herz geklaut hat?

Woher wisst ihr denn das schon wieder?

Das fragst du noch?

Ich weiß. Unter uns bleibt nichts verborgen. Es sei denn, wir blockieren einander.

Stimmt auffallend. Ich check die Produktionsprios und sag dir Bescheid, OK?

Wenn ihr schon dran seid: Einen Allzweck-Heli bräuchte ich auch. Er soll auf dem Hof stationiert werden. Am besten packt ihr gleich einen Satz Drohnen rein. Ich denke, die werden wir brauchen, wenn wir uns mit der Natur der Gegend etwas vertrauter machen wollen.

– – –

Um einen CommCall mit Peter kam sie nicht herum. Sie mag Peter sehr. Aber er stellt immer so viele Fragen, auf die sie gerade selbst keine endgültigen Antworten kennt.

„Peter, ich brauche einen Kampf-Robo und einen Droiden für einen neuen Bewohner des Hofs, auf dem ich gerade lebe und forsche. Er wird mich unterstützen. Außerdem habe ich einen Allzweck-Heli mit einem Dutzend Drohnen angefordert. Du wirst die Anforderungen schon auf deinem Schreibtisch haben oder demnächst bekommen.“

„Das ist eine ganze Menge Holz, Lisa-Louise. Hast du genug Budget dafür?“

„Ich war bisher äußerst sparsam. Das Geld müsste mehrfach reichen. Das Programm sieht mehrere Millionen Money-Equivalents (ME) vor. Ich habe bisher nicht einmal eine Million auch nur angeknabbert.“

„Du bist sehr vorsichtig mit dem Geld. Ich weiß, und ich schätze das. Noch mehr schätze ich, dass du nicht über die Marschallin agierst. Apropos: Was sagt sie zu deinen Plänen?“

„Ich habe meine Aktionen nicht mit ihr besprochen – um zu vermeiden, dass sie eventuell selbst eingreift. Es ist nicht gut, wenn die Kinder ihre einflussreichen Eltern mobilisieren und vielleicht sogar instrumentalisieren. Das war Standard in der Ordnung und der AN. Ich will das nicht, und ich mache das daher auch nicht.“

Sie ist wie ihre Eltern, freut sich Peter.

„Geht klar, Lisa-Louise. Ich veranlasse alles Nötige.“

Dann lächelt er. Sie kann es nicht sehen oder hören. Aber sie kann es erahnen. Sie kennt Peter, den mächtigsten General nach der Marschallin. Sie kennt ihn gut. Er war oft bei ihnen in Caras Haus. Dort, wo die ganze Familie wie auf einer Festung leben musste. Weil sie Mutanten sind. Weil die AN die Straße aufgestachelt hatte. Weil die Ordnung nicht wirklich schützte.

Am Ende hat die Energie gesiegt. Die Welt ordnet sich neu.

Lisa-Louise will ihre Forschungsarbeiten über die Biodiversität in der Exklave um Station 4 intensivieren. Sie hat vor dem Angriff auf das kleine Dorf damit begonnen. Ihre ersten Ergebnisse sind vielversprechend gewesen. Doch danach haben sich die Prioritäten verändert. Die Höfe, die Kinder. Sie sind vorgegangen. Nachvollziehbarerweise. Die Not musste bewältigt werden. Sie wird es noch. Die Kinder brauchen sie.

– – –

Raleigh hat ein Auge auf William. Er soll nichts merken.

Mia hat zwei Augen auf William. Er soll nichts merken.

William merkt nichts. Er ist abgelenkt. Sehr abgelenkt. So stark abgelenkt wie noch nie in seinem Leben.

In der Wildnis ist alles andere als volle Konzentration volles Risiko.

Er geht wie auf Wolken. Erst der Kuss, als er gekommen ist. Zur Begrüßung, sozusagen. Dann das Mittagessen, bei dem er sich so wohlfühlte, ihm aber immer wieder die Worte fehlten. Er hat einfach nicht gewusst, wie er mit dieser Situation fertigwerden soll: Seine Gastgeberin, bei deren purer Anwesenheit es ihm die Sprache verschlägt. Dann die Kinder, die ihn necken. Dann die Pumakatze, die ihm nicht von der Seite weicht. Und dann diese Umarmung beim Abschied, die ihn zur Salzsäule erstarren lässt.

Erst wird es ihm eiskalt und anschließend kochend heiß. Seine Hose wird eng, als er, er kann sich nicht wehren, sie umfasst und den Duft ihrer Haare so tief in sich aufsaugt, dass er beinahe ohnmächtig wird.

Wie er hinausgekommen ist und in die Nähe seiner Bleibe, ist ihm nicht erinnerlich. Aber da vorne liegt er, der kleine Teich. Kurz hinter der Quelle ist er in eine Kuhle gefasst, die Gott weiß wer und wann aus dem Jurakalk in das kleine Tal gefräst hat. Er glitzert, und die Vögel zwitschern. Schön ist es da.

Er geht die letzte Windung des Pfads hinunter von der Höhe, über die er gekommen ist. Der Waldweg ist ausgetreten. Eigentlich passt er immer auf. Außer heute.

Ja, heute fliegt er. Über eine herausstehende Wurzel, auf die er sonst immer tritt und darüber schimpft, dass die Wurzel vorsteht.

„Irgendwann fällt einmal jemand drüber. Und bei meinem Pech wahrscheinlich ich.“

Dass seine Vorhersagen so genau zutreffen werden, hat er selbst nicht so recht geglaubt. Er stolpert, hebt ab, knallt hin und macht keine sonderlich gute Figur dabei.

Als er schließlich auf dem Boden auftrifft, fährt ein Stich in sein linkes Fußgelenk. Er kann sich abfangen und schafft es irgendwie, weich zu landen.

Er setzt sich auf und beschließt, sich das Fußgelenk anzuschauen. So wie sich der Schmerz angefühlt hat, ist irgendetwas damit passiert. Diesmal hat er kein Glück gehabt. Wie oft hatte er sich früher bereits den Fuß übertreten und sich nichts Ernsthaftes getan. Diesmal ist es anders. Sein Gefühl hat ihn bisher selten getrogen.

Tatsächlich beginnt das Gelenk schon, anzuschwellen. Er tastet den Knöchel ab. Dann versucht er, ihn vorsichtig in alle Richtungen zu bewegen. Nach vorne geht. Nach außen auch. Nach hinten und nach innen nicht.

– – –

Raleigh hat William kurz aus den Augen verloren. Wobei: ‚Sensoren‘ wäre richtiger. Daran muss man sich noch gewöhnen, dass denkende Robos fast daherkommen wie Menschen. Sie sucht das Dickicht ab. Ein richtiger Wald ist das ja nicht. Dazu ist es nicht feucht genug und viel zu heiß.

Radar und Infrarot könnten jetzt der Schlüssel sein. Beides schlägt fehl, da er gerade hinter einem dicken Karstbrocken liegt. Ob Mia, die Berglöwin, helfen kann?

Sie könnte, wäre Raleigh in der Lage, mit ihr zu kommunizieren. Das kann nur Lisa-Louise, und die ist einige Stunden entfernt auf dem Hof mit den Kindern.

Am Horizont wölben sich blaugraue Gewitterwolken auf. Der Wetterdienst hat vor einem Unwetter mit Starkregen, Hagel, Sturmböen, Windhosen und Tornados gewarnt. Durch die von Lou, dem ehemaligen Forschungschef der Energie, federführend entwickelte KI sind die Vorhersagen erstaunlich gut. Durch das Sturmfeld ist auf der Albhochfläche ein gigantischer Temperatursturz zu erwarten. Das könnte für einen verletzten Menschen eng werden. Eine Unterkühlung droht. Vor allem, wenn man in völlig durchnässter Kleidung ist. Und eine Verletzung hat.

Lou ist der Vater von Lisa-Louise. Er ist inzwischen im Ruhestand. Von Ruhe allerdings keine Spur. Seine Frau Beth hat als Marschallin der Energie keine Freizeit.

Er recherchiert die aktuellen Aufenthaltsorte der führenden Köpfe der Arian Nation. Durch seine katastrophalen Verletzungen hat er ein Trauma, das er noch nicht bewältigt hat. Es ist, als ob er nicht einhalten kann, in seinem Drang, sie zu finden und anschließend zu jagen. Dingfest will er sie machen, aus dem Verkehr ziehen.

Ein für alle Mal. Für immer. Damit sie nichts Böses mehr anrichten können.

Außerdem forscht er mit seinen Kindern in ihren Fachgebieten. Das beschäftigt ihn und lenkt ihn von seinen Phantomschmerzen ab. Die restliche Zeit trainiert er wie verrückt. Er möchte wieder so stark sein, wie er es früher gewesen ist.

Gerade ist er in einer HoloCommConf mit Lisa-Louise. Es geht um die Biodiversität auf der Schwäbischen Alb. Durch den Stausee hat sich das regionale Klima stark verändert.

Durch die Besiedlung hat sich die Umwelt nochmals verändert. Er hat damals zusammen mit Beth sehr viel dokumentiert, sodass dieser Prozess recht gut rekonstruiert werden kann.

„Lisa-Louise“, sagt er, „ich finde es gut, dass du dieses Projekt dokumentieren und begleiten willst. Deine Eltern haben damals die Renaturierung von Station 4 begonnen. Wir wurden für verrückt gehalten. Deine Mutter hat das Wäldchen um den kleinen See an der Station als Nukleus mit angelegt, gehegt und gepflegt.“

Sie ist dankbar, dass ihr Vater sie so stark unterstützt.

„Kannst du mir helfen, dass Agneta Stroganov, die Vizepräsidentin des Energie-Parlaments, mit mir spricht? Bisher habe ich es nicht geschafft, bei ihr einen Termin zu bekommen. Sie scheint viel zu beschäftigt zu sein, um sich für mein Projekt zu interessieren.“

„Agneta ist manchmal ein wenig eigen. Das war sie schon immer. Ich rede mit ihr, schließlich habe ich eine gemeinsame Vergangenheit mit ihr.“

„Du meinst Ludovic, nicht wahr, Dad?“

Sie lachen beide. Ludovic war der liebenswürdigste junge Kerl des Planeten Erde.

„Weißt du, ich wollte ihn nicht dazu missbrauchen, seiner Mutter ein Treffen mit mir aus den Rippen zu leiern.“

„Verstehe ich, liebes Töchterlein mein. Ich mach das schon. Du kannst dich auf mich verlassen.“

„Ich weiß, Daddy, ich weiß. Sei umarmt und bis bald!“

Manchmal muss man einfach miteinander sprechen, auch wenn man doch einfacher miteinander denken kann.

Ich muss seine Stimme hören, damit ich weiß, wie es ihm geht. Damit ich mich an ihm und in mir versichern kann.

Das Denken ist wirklich Glückssache. Aber das größte Glück ist es, sich nahe zu sein. Sich zu spüren. Das Herz des Anderen schlagen zu hören.

– – –

Raleigh entscheidet, sich mit ihrer Herrin kurzzuschließen, doch sie kommt nicht durch. Man kommt in einen HoloConfComm nicht hinein, wenn er abgeschottet begonnen worden ist. Manche Gespräche dürfen und sollen privat sein. Dieser ist abgeschottet und dauert leider ziemlich lang.

Kaum ist das Gespräch mit ihrem Vater beendet, ist Raleigh im Ohr von Lisa-Louise.

„Ich habe William aus den Augen verloren. Er ist in ein Tal abgestiegen und plötzlich aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich habe ihn gesucht und bisher nicht gefunden. Wenn ich weitersuchen soll, muss ich die Erlaubnis haben, dass er wissen darf, dass ich in seinem Umfeld unterwegs bin.“

„Muss ich mir Sorgen machen?“

„Möglich ist das, Herrin. Mia ist ebenfalls in der Gegend, aber ich kann mit ihr nicht kommunizieren. Wir brauchen dich vor Ort. Kannst du kommen?“

Nicht, dass Lisa-Louise sich nicht geehrt fühlt, wenn man sie braucht. Aber das ist jetzt ziemlich ungeschickt. Wer passt auf die Kinder auf?

Dahlia und Elly und Constanze als Älteste der drei? Ist einen Versuch wert. Hat sie überhaupt eine Wahl? Eher nicht.

Sie ruft die drei Kinder, die Druidin und die Robine zusammen.

„Ihr Lieben, ich muss nach William schauen. Er könnte in Gefahr geraten sein. Raleigh hat ihn verloren. Sie kann nicht mit Mia kommunizieren. Sie hat mich gebeten, zu kommen. Ich nehme den Heli, so bin ich schneller und kann einen Verletzten transportieren.“

Sie erklärt, wie sie sich die Sache während ihrer Abwesenheit vorstellt.

„Lisa, das schaffen wir. Mit Dahlia und Elly ist das kein Problem“, meint Constanze so überzeugt wie überzeugend.

Sie könnte jetzt zufrieden sein mit der Situation. Aber sie wird nicht warm damit. Von glücklich ganz zu schweigen.

– – –

William greift nach seiner Com, um Hilfe zu rufen. Schon, als er sie mit der Linken anfasst, um sie aus der Tasche am rechten Oberschenkel seines in die Jahre gekommenen Combatanzugs zu ziehen, spürt er, dass mit dem Gerät etwas nicht in Ordnung ist.

„Shit“, flucht er leise, „das jetzt auch noch. Heute ist wohl nicht mein Glückstag.“

In seiner Unterkunft ist ein Ersatzgerät.

Alles wunderbar, denkt er, wie komme ich mit dem kaputten Fußgelenk da nur hin?

Er holt ganz tief Luft und versucht, sich zu beruhigen. Panik bringt jetzt gar nichts. Schließlich ist er nicht zum ersten Mal in seinem Leben in einer heiklen Lage. Bisher ist er da auch immer irgendwie herausgekommen. Wenn er ehrlich ist, könnte er darüber eine ganze Serie an Abenteuergeschichten schreiben.

Warum nicht, kommt ihm in den Sinn, vielleicht für seine Kinder, wenn er jemals welche haben sollte. Kinder? Hat ihm jemand ins Hirn geschissen?

Auf einmal kommt ihm dieser ziemlich nackige blonde Engel in den Sinn, den er schon ein paarmal bei seinen Wasserspielen am Wasserfall beobachtet hat. Er spürt, dass ihm die Schamesröte ins Gesicht schießt und die Hose trotz der dumpfen Schmerzen im Fußgelenk an einer bestimmten Stelle ziemlich eng wird. Er weiß, dass sein Voyeurismus nicht so ganz die feine englische Art ist, um es einmal höflich zu formulieren.

„William!“, ruft er leise sich zur Ordnung, „du hast keine Zeit, liebeskrank zu sein. Es wird dunkel, ein schweres Wetter kommt, und bis zur kleinen Höhle sind es noch mindestens anderthalb Kilometer das Tal hinauf!“

Plötzlich knackt ein Ast. Spätestens das macht ihm klar, dass er in echter Gefahr schwebt. Unabhängig von den marodierenden Überbleibseln der AN-Milizen und ihrer regulären Truppen streifen allerlei weniger freundliche Zeitgenossen durch die Lande. Wenn es keine staatliche Ordnung mehr gibt, herrscht Anarchie. Genau das aber ist die Lage bis in die Ränder der Ex- und Enklaven rund um die Energie-Stationen. Die Sicherheitskräfte der Energie können nicht überall sein. Und das von wilden Tieren einmal abgesehen. Die gibt es schließlich auch noch.

Er beginnt, nach etwas zu suchen, aus dem man eine Art Krücke herstellen kann. Am besten ein großer und leidlich stabiler Ast.

Die Aufgabe ist, obwohl das Tal mit dichter Vegetation besetzt ist, weil es Wasser gibt, schwieriger, als man erwarten würde. Ich darf nicht zu weit vom Pfad abkommen, beschwört er sich.

Seit mehr als einer Stunde kriecht William durch Unterholz und Dickicht. Immer im Zickzack und langsam in Richtung seines Unterschlupfes.

Schließlich, er ist bereits dabei, die Suche aufzugeben und eben zur kleinen Höhle an der Quelle zu robben und auf Knien zu rutschen, liegt die Krücke fast fertig vor ihm. Ein Blitzschlag muss sie aus der Krone eines Lampionbaums gebrochen haben.

William kann sein Glück kaum fassen. Er nimmt den Ast in die Hand und richtet ihn mit dem Messer und der Laserpistole so zu, dass er ihn als Stütze gebrauchen kann. Erst danach macht er Pause, um sich etwas zu erholen.

Ein Schluck aus der Trinkflasche: Es ist der letzte. Das Wasser aus dem Bach ist nicht genießbar. Er hat das bereits untersucht. Also muss er seinen Schlaf- und Wohnplatz erreichen.

Mit der Krücke kommt er voran. Langsam zwar, aber immerhin. Das Hinken ermüdet ihn. Der linke Arm und die linke Achsel beginnen zu schmerzen. Im linken Fußgelenk klopft es. Der Fuß ist angeschwollen. Der Combatstiefel drückt. Er wird ihn wohl aufschneiden müssen. Er muss aufpassen, dass er keine Thrombose bekommt oder sogar, weil die Schwellung im Stiefel die Blutzirkulation erschwert oder zum Erliegen bringt.

Sein Entfernungsgefühl sagt ihm, dass er noch einiges an Wegstrecke vor sich hat. Er fühlt sich nicht besonders gut. Es ist nicht gut, dass er nichts mehr zu trinken hat. Das kann noch zum Problem werden, da er wegen der Schwüle und der Verletzung stark schwitzt. Wasserverlust ist mit das Ungeschickteste, das ihm jetzt passieren kann. Warum hat er bloß vergessen, sie beim Mittagessen danach zu fragen.

Er ist besoffen von ihr gewesen. Deshalb. Was für eine Dummheit. Sich derart den Kopf verdrehen zu lassen!

Aber was nützt es, sich jetzt darüber aufzuregen. Das Kind liegt im Brunnen. Über verschüttete Milch Klage zu führen, ist Zeit- und Energieverschwendung.

Also schleppt er sich zur nächsten Stelle, an der so etwas wie ein Sitzplatz ist, um Rast zu machen. Es ist nicht besonders klug, so lang weiter zu stolpern, bis man vor Schwäche zusammenbricht.

Schließlich hat er einen brauchbaren Sitzplatz gefunden, bei dem er sich anlehnen kann. William setzt sich, beugt sich nach vorn und bedeckt sein Gesicht.

Himmel, hilf!, fleht er. Fast kann man sagen, er betet. Was er nicht weiß, ist die Tatsache, dass seine Klagen wie ein unverständliches, fernes Echo den Stirnlappen Lisas berühren und dort ein angenehmes Kitzeln auslösen. Als er – einer plötzlichen Eingebung folgend – in Gedanken ‚Lisa-Louise, ich brauche Hilfe!‘ ruft, meint sie sogar, diesen Hilferuf ganz leise zu hören.

Er richtet sich im Sitzen auf und streckt sich. Dann beugt er sich vor und tastet den Stiefel an Ferse und Gelenk ab. Er kann den Stiefel nicht ausziehen, weil er den Fuß dann nicht mehr hineinbekommt. Aber wenn er es nicht macht, könnte er einen Blutstau herbeiführen, der dazu führt, dass der Fuß nicht mehr durchblutet wird.

Also entscheidet er sich für das kleinere Übel und probiert es mit dem Abstreifen des Stiefels. Das klappt nicht.

Er nimmt notgedrungen das Messer und schneidet den Schaft des Stiefels entlang der Innenseite auf. Schließlich bekommt er den Schuh ab.

Die Anstrengung lässt ihn keuchen und noch stärker schwitzen. Er muss sich ausruhen und lehnt sich an den Stamm der Hopfenesche, unter deren Krone er Platz genommen hat. Das Donnergrollen kommt bereits näher und die Böen, die das Wetter als Vorboten sendet, lassen die Blätter rascheln.

Schließlich wird das Rascheln immer leiser. William sinkt in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.

III

Der Heli ist schnell. Verdammt schnell. Innerhalb weniger Minuten landet Lisa-Louise auf dem kahlen Bergrücken und springt aus dem Fluggerät. Raleigh erwartet sie bereits.

„Es wird langsam dunkel, und der Sturm kommt näher. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Die Robine klingt besorgt, soweit eine Maschine gefühlig sein kann.

Lisa nickt und ruft Mia. Dabei lässt sie Töne erklingen, wie sie Raleigh noch nicht gehört hat. Es dauert nicht lange, und die Berglöwin meldet sich. Wenig später kommt sie quasi aus dem Nichts und schmiegt sich an sie.

Sie kniet sich nieder. Die beiden Köpfe berühren sich. Danach verschwindet sie wieder.

„Sie wird in Kürze wieder da sein und uns nachher zu ihm führen. Ich hoffe, dass ihm nichts wirklich Schlimmes passiert ist.“

Plötzlich fühlt sie ein angenehmes Kitzeln in ihren Gedanken. Es ist fast so, als wolle jemand mit ihr gedanklich in Kontakt treten, den sie dazu nicht freigeschaltet hat.

Alle Mutanten müssen in der Pubertät lernen, sämtliche Nebengeräusche des Gedankenuniversums auszublenden. Vor der Pubertät sind Kinder auf ihre Verwandten und ihre Familie gepolt, wenn es um das gemeinsame Denken geht. Es scheint so, dass alle mit einem denken dürfen, die zum direkten Umfeld gehören, also auch Freundinnen und Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler. Und sonst niemand.

Mit der Pubertät lösen sich alle Sicherheiten auf. Dazu gehört die Vorbestimmung der Denkpartner durch Familie, Stamm, Wohngemeinschaft, Schule, Kinderschule, Kindergarten, Tagesmuttergruppe. Wenn man erwachsen wird, muss man sich auf die Partnersuche einstellen. Da kann und darf es nur selbstbestimmte Beschränkungen in der Kommunikation geben. William weiß bisher von alledem nichts.

Doch dann meint sie, gehört zu haben, dass jemand sie um Hilfe gerufen hat.

„Raleigh, William ist etwas passiert. Suchst du bitte mit der Drohne nach Mia? Sie müsste auf dem Infrarotsensor zu sehen sein. Blendest du mir das Kamera-Bild bitte in das Hologramm? Ich versuche, ihn gedanklich anzusprechen.“

Sie geht in die Hocke, weil sie in dieser Haltung den Fokus am besten steuern kann. Nur so kann sie auch mit Mia sich zusammendenken. Es lohnte sich vielleicht, einmal zu erforschen, warum das so ist.

– – –

Mia trabt inzwischen im kleinen Tal, zu dem sie die Spur Williams geführt hat, entlang des Pfades in Richtung Quelle. Er ist diesen Weg so oft gegangen, dass dieser Pfad regelrecht nach ihm stinkt.

Sie wird immer schneller, als ob sie ahnte, dass er in Gefahr ist, dass ihm etwas widerfahren ist. Nicht, dass sie besorgt wäre, wie es Lisa-Louise, ihre menschliche Freundin, Kameradin und Herrin, gerade ist. Für die Berglöwin ist sie alles, und alles, was zu ihr gehört, ist genau das: ihr Ein und Alles. Also ist sie in Eile, weil sie es schützen will, wie sie ihre Jungen schützen würde, wenn sie welche hätte.

Ihre Flanken beben, ihr Maul ist geöffnet, die Fangzähne leuchten im Halbdunkel des Dickichts. Sie selbst ist weder zu hören noch zu sehen. Plötzlich sieht sie die menschliche Gestalt und bremst so abrupt, dass sie sich überschlägt.

Schließlich fängt sie sich und grummelt leise. Das ist nicht ganz schmerzfrei gewesen. Sie legt sich auf den Waldboden, ihre Atemzüge beruhigen sich nur langsam, der Schwanz bewegt sich zitternd hin und her, um die Spannung abzuleiten.

Sie steht auf und schüttelt sich. Dann geht sie langsam zur regungslosen männlichen Gestalt, die am Baumstamm ihr gegenüber mit dem Rücken angelehnt mehr kauert als sitzt.

Mit ihrer Nase beschnuppert sie ihn. Er strahlt Wärme ab.

Die Berglöwin stupst ihn mit der Nase an. Er bewegt sich nicht.

Mit dem Maul nimmt sie den Stiefel auf und legt ihn zwischen sich und William, den sie klar erkannt hat. Sie geht vorsichtig einen Halbkreis und legt sich an seine linke verletzte Seite, als wollte sie sie schützen. Ihren großen Kopf schiebt sie vorsichtig unter seine linke Hand, sodass sie auf ihrer Stirn zu liegen kommt. Als sie richtig liegt, hebt sie den Kopf langsam an und drückt ihn an seinen linken Oberschenkel.

Ein tiefes, beruhigendes Schnurren löst sich aus ihrer Brust. Er bewegt sich immer noch nicht, aber die Großkatze spürt, dass er am Leben ist. Das macht sie glücklich.

– – –

Oben über ihnen surrt eine Drohne. Die beiden Gestalten werden über die Infrarot-Kamera auf den Holo-Monitor vor den Augen von Lisa-Louise übertragen. Raleigh ‚sieht‘ die beiden Wesen ebenfalls. Der Mensch scheint bewegungslos an einem Baum zu lehnen, während die Berglöwin an seiner linken Seite Platz genommen hat.

Wir haben sie gefunden, denkt Lisa-Louise in die Hauptplatine ihres Kampfrobos. Raleigh antwortet: Nehmen wir den Heli und seilen uns ab, nachdem wir ihn über den beiden positioniert und auf Autopilot gestellt haben?“

So machen wir es. Wie lang brauchen wir? Wo ist das Sturmfeld?

Wir haben höchstens zehn Minuten. Dann müssen wir im Heli sein und ab dafür.

Das wird verdammt knapp.

Ja, Herrin, das wird es.

Sie springen in den Heli, der sofort nach oben schießt, um 180 Grad wendet und in Richtung der Koordinaten rast, an denen die beiden Gestalten liegen. Lisa-Louise bringt ihn über dem Fundort in Halteposition und auf Autopilot. Ihre Vorgabe ist, dass der Copter selbst dann wegfliegen soll, wenn das Wetter nahekommt, wenn sie nicht komplett nach oben geholt sind. Er muss nur warten, bis sie knapp über den Baumkronen schweben. Sie hat das sichere Gefühl, dass genau das geschehen wird.

Sie werden mit zwei Geschirren runtergelassen. Sie bringen die beiden Tragevorrichtungen an William und Mia an. Zeit, sich den Verletzten anzusehen, haben sie nicht. Die Böen sind bereits kräftig, und die ersten Tropfen fallen jetzt.

Der kaputte Stiefel und die defekte Com bleiben zurück. Raleigh hat den Auftrag, beides zu holen, wenn es möglich ist. Nicht nur aus Umweltschutzgründen, auch wegen der Vorsicht. Man sollte nichts liegen lassen, was darauf schließen lässt, dass jemand in der Gegend ist. Das zieht nur Gesindel an.

Sie sind gerade über den Wipfeln der hohen Bäume, da verlässt der Heli seine Position und strebt in einem Bogen vom Sturmfeld weg. Sie haben keine lustige Zeit da oben. Sie hängen an vier Spezialseilen, die sie langsam nach oben bringen, während der Copter Land gewinnt.

Als sie einigermaßen in Sicherheit sind, bremst das Fluggerät langsam ab, bis es stillsteht. Jetzt erst werden sie komplett eingeholt. Lisa-Louise übernimmt den Steuerknüppel, und Raleigh checkt die Vitalwerte von William. Es geht ihm nicht gut, aber er ist zum Glück nur ein wenig dehydriert.

Sie schließt ihn an das Save-Lives-System des Copters an. Erst jetzt kommt er zu sich und fragt nach Wasser. Das zaubert sie aus dem Nichts und reicht es ihm. Er trinkt das isotonische Getränk so schnell, dass er sich verschluckt und hustet.

– – –

Auf dem großen Platz hinter dem Hof landen sie. Die drei Roboter versorgen den Helikopter im Hangar, in dem sich auch der Gleiter und die Drohnen befinden. Sie haben zu viert, die drei Roboter und sie, eine Halle umgebaut. Die Befestigungen sind nötig gewesen, um die Fluggeräte vor dem zu schützen, was jetzt kommt.

Einer der Eckpunkte war das Tieferlegen des Halleninneren. Sie baggerten zusammen mit Helfern vier Meter aus. Die Maschinen stehen deshalb jetzt komplett in der großen Kuhle. Darüber spannen sich Stahlträger, die ein zweites Dach unter dem Hallendach bilden. Sie verstärken die Träger der Halle und befestigen sie zusätzlich. Trotzdem wäre Beten bei der Bestie, die da kommt, sicherlich nicht falsch.

Raleigh und Elly haben William in das Gästezimmer gebracht, ausgekleidet, gewaschen, wieder bekleidet und ins Bett verfrachtet. Danach haben sie sich den geschwollenen linken Fuß angeschaut und ihn in Eis gepackt, damit er abschwillt. Lisa-Louise durchleuchtet den vorsichtshalber. Erst Ultraschall. Da erkennt sie nichts. Dann Röntgen. Wieder nichts. Nur eine angerissene Sehne. Das Außenband.

Nach dem Eis kommen Lisas Spezialwickel auf und um das linke Fußgelenk. Danach lässt sie ihn schlafen.

Als die ersten Hagelkörner aus dem Himmel fallen und der Sturm über das Gehöft und die Alb rast, bringt sie ihm etwas zu essen. Er ist noch schwach. Aber er isst ein wenig.

„Danke“, sagt er. Und lächelt.

Das Lächeln lässt sie innerlich schmelzen. Ihr wird warm ums Herz. Zwischen den Beinen kocht es regelrecht. Sie will zerfließen.

Sie schaut ihn an, und ihm wird von diesem Blick schwindelig. Es steckt alles in ihren auf einmal riesengroßen blauen Augenseen: Liebe, Lust, Sehnsucht, Sorge.

„Du sorgst dich um mich“, flüstert er ungläubig, „jemand sorgt sich um mich.“

Sie nimmt seinen Kopf in ihre kühlen Hände. Und küsst ihn, dass ihnen beiden der Atem wegbleibt.

Ein gigantischer Donnerschlag bringt sie nicht aus der Ruhe, weil sie so ineinander versunken sind, dass es nichts anderes mehr gibt als sie.

– – –

Ich liebe dich, Lisa, denkt er in den Kuss hinein, und er hört in seinem Denkraum ein Echo. Ich dich auch, Will. Es ist nicht gesagt und doch gesagt.

Was geschieht mit uns. Ist das die Liebe?

Er hört ihr Glucksen tief in ihrer Kehle. Als ob sie ihn auslachte.

Du lernst gerade, mit mir zu denken, mein Liebster!, hört er dort, wo seine Gedanken in ihm resonieren, wenn er sie denkt.

Und dann öffnet sie ihre Augen und küsst seine Nase und seine Stirn. Er schaut sie ungläubig an.

Können das alle, die sich lieben?

Nein, das können nur die, die die Mutation in sich tragen. Du hast sie. Ich habe sie. Meine ganze Familie hat sie. Und einige wenige weitere Menschen auch.

Und, mein Liebster, sie können es auch, wenn sie nicht lieben.

„Lisa“, sagte er, „was geschieht hier gerade mit uns?“

„Ach, mein Schatz, das, was geschehen muss, wenn unsere Art weiterhin geben soll, William.“

„Musst du immer so unromantisch sein?“

„Ich bin so, William. Mich gibt es nicht anders.“

„Liebst du mich wirklich?“

„William, mehr als mein Leben.“

„Wie kannst du dir so sicher sein? Wir kennen uns doch kaum.“

„Ich kann in die Zukunft sehen und die Vergangenheit lesen. Das kann ich generell im Groben und bei meiner Familie im Einzelnen. Nicht jedes Detail, aber doch die Linien. Denn ich bin eine Wächterin.“

„Was ist eine Wächterin?“

„Wenn du das wissen willst, müssen wir länger Zeit miteinander haben, damit ich dir eine ganze Menge erzählen kann.“

„Verstehe. Nach dem Sturm?“

Sie musste lachen. Sein trockener Humor gefiel ihr.

– – –

Sie haben Glück, dass Hof und Siedlung nicht im Zentrum der Monsterzelle liegen. Es hagelt und schüttet in fünf Tagen mehr als 500 Liter auf den Quadratkilometer – nachdem es zuvor drei Monate keinen Tropfen geregnet hat. Windstärken mit bis zu 250 Kilometern die Stunde, erzeugt durch begleitende gigantische Fallwinde und Tornados sowie Windhosen. Mit der Energie in den Blitzen hätte man die Energie einer Großstadt wie Lagos ein Jahr sicherstellen können.

Die Schäden sind verheerend. Es gibt selbst in der baulich gut gesicherten Exklave rund um die Station 4 mehrere Tote und Verletzte zu beklagen. Trotz der Domes, die ausgefahren sind, sind nicht alle Plantagen und Wälder unbeschadet davongekommen.

Die Stauseen sind vollgelaufen und geben ihre gesammelten Wassermassen nicht an die aus ihnen austretenden Wasserläufe ab, wenn der Überlauf droht. Vielmehr schießen diese durch Turbinen in Riesenzisternen und die Höhlensysteme des Karstgebirges. Die gewonnene Energie hebt große Betonkugeln an, die auf riesengroßen Wassersäulen ruhen. Die Unwetter haben so eine schlechte und eine gute Seite. Sie werden immer mehr dazu verwendet, sich selbst abzuschaffen. Das Wasser fließt nicht ungenutzt ab, es wird gespeichert. Und als Energiespeicher eingesetzt.

William weiß von all dem nichts. Wie auch. Nach dem Tod seiner Eltern, dem traumatischen Erlebnis ihres Abschlachtetwerdens vor seinen Augen, ist er über drei Jahre durch die Wildnis getrieben. Hat von einem Morgen zum nächsten in einer speziellen Weise dahinvegetiert. Trauer und Trauma haben ihn seinen Alltag in einer Art Nebelhülle erleben lassen.

Schon zuvor hatte die Schule nicht mehr stattgefunden, waren seine Eltern und Geschwister sowie er selbst vollstens damit beschäftigt, ihr Überleben zu organisieren. Bildung und Ausbildung übernahm der tägliche Kampf ums Dasein. Wer hungert und dürstet, hat andere Prioritäten. Er lebt von der Hand in den Mund und beschäftigt sich mit dem Naheliegenden.

Am dritten Tag des Monstersturms, es regnet, als ob sich der Himmel geöffnet hätte, ist die Schwellung so weit abgeklungen, dass er mit einem Spezialschuh wieder normal gehen können sollte. Auch körperlich fühlt er sich wieder gut.

Tatsächlich legt Dahlia für ihn neue Kleidung bereit, als er aufstehen möchte. Er streift sie über, und sie passt wie angegossen. Sie bringt ihm einen besonderen Schuh, den Lisa-Louise im 3D-Drucker für ihn angefertigt hat.

Als er aufsteht, wird es ihm kurz schwindelig. Es grenzt an Magie, dass im gleichen Augenblick Dahlia neben ihm steht und ihn auffängt, sodass er gar nicht erst fällt.

„Nimm meinen Arm, ich bringe dich in die Wohnküche zum Frühstück.“

Er murmelt ein „Danke!“ und lässt es mit sich geschehen. Der linke Fuß schmerzt so gut wie nicht, und nach einigen Schritten kann er sogar alleine gehen.

Dahlia, die Droidin, weicht ihm dennoch nicht von der Seite.

– – –

Zwei Wochen nach dem Ende des Horrorgewitters und drei Wochen nach seiner Verletzung ist William fast wieder der Alte.

„Ich sollte zu meiner Unterkunft und nach dem Rechten sehen. Außerdem kann ich euch hier nicht die ganze Zeit auf der Tasche liegen und nichts beitragen.“

Er starrt vor sich auf den Pott Kaffee und läuft auf einmal knallrot an. Plötzlich spürt er eine kalte Hand auf seiner Rechten. Er traut sich nicht aufzusehen. Sonst sähe er zwei blaue Augenseen ebenso forschend-prüfend wie aufmerksam-zärtlich auf sich ruhen.

Sie sagt nichts, und trotzdem spürt er, wie auf einmal Ruhe und Entspannung über die Hand durch seinen ganzen Körper fließen und den Knoten in seinem Unterbauch lösen. Es fühlt sich fast an, als bekämen Parasympathikus und sein Zwillingsbruder Sympathikus eine Streicheleinheit verabreicht. Das ist Magie, säuselt es in seinem Kopf.

Nein, das ist keine, umarmt seine Worte ein fremder Gedanke. Das bin ich, deine Wächterin. Du gehörst jetzt zu unserer Familie. Du musst nicht gehen, du darfst bleiben, und deine Anwesenheit ist bereits genug.

„Deine Sachen haben Raleigh und Elly bereits vor ein paar Tagen geholt. Sie liegen für dich bereit. Auch die kaputte Com und dein aufgeschnittener Stiefel sind eingesammelt worden. Unser Prinzip ist: In der Natur bleibt nur etwas von uns zurück, wenn es komplett abgebaut werden kann und in den Zyklus des Werdens und Vergehens der Natur rückstandsfrei passt.“

„Und die Höhle? Was habt ihr mit ihr gemacht?“

Es schwingt die Sorge über den Verlust seines Unterschlupfs mit. Er hat schließlich nur das. Auch wenn er ihn erst vor einigen Wochen gefunden und für sich wohnlich eingerichtet hat.

„Wir haben sie so belassen, wie sie jetzt ist. Für den Fall, dass du dich entscheidest, wieder zu gehen. Niemand wird gezwungen zu bleiben. Jeder ist frei in seiner Entscheidung.“

Er schluckt. „So habe ich das nicht gemeint.“

Ihr glockenhelles Lachen bringt ihn zum Schmunzeln.

„Doch, das hast du, und das ist ganz OK so.“

Warum ist sie nur immer so klug, so ruhig, so sachlich und nüchtern?

Er fühlt sich in ihrer Gegenwart so klein und dumm. Sie nimmt seine Hand, führt sie an ihren Mund und küsst seine Fingerspitzen. Dann legt sie ihre Wange in seine Hand.

„Haben die Fledermäuse in der Höhle auf dir gesessen und sich an dich geschmiegt, wenn du dort still gesessen bist oder auch geschlafen hast?“

Diese Frage kommt unvermittelt, quasi aus dem Nichts.

„Ja, manchmal schon. Warum fragst du, wenn du es doch schon weißt?“

„Weil wir Fledermauskot, -speichel, -haare und -hautschuppen auf deiner Kleidung gefunden haben.“ Sie sieht ihn nach dieser Feststellung fragend an.

„Sie sind manchmal auf mir gesessen und haben miteinander gezwitschert. Ich habe es nicht verstanden, aber kapiert, dass sie mir nichts Böses wollen, sondern eher etwas Gutes. Aber ich habe nicht enträtseln können, was.“

„Komm“, sagt sie auf einmal, „lass uns zu deiner Höhle mit dem Gleiter fahren.“

„Warum, es ist doch alles hier, was mir gehört.“

„Du willst doch mich und dich besser verstehen, oder?“

Sie lacht ihn fast herausfordernd an.

„Ja, schon.“

„Na, also, dann lass uns gleich losziehen.“

– – –

Sie hat ihn in den Bekleidungsraum gezogen, in dem Kampfanzug, Waffen, Stiefel und alles untergebracht sind, das man für einen Ausflug in die Wildnis braucht. Sofort beginnt sie, sich systematisch und in fließenden Bewegungen zu entkleiden. Er steht wie angewurzelt da und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.

„Jetzt guck nicht so, das kennst du doch schon alles“, neckt sie und scheint völlig schamlos zu sein. Als sie fertig damit ist, stellt sie sich hin und zeigt auf den Schrank, auf dem sein Name steht.

„Da sind deine Sachen drin. Und wenn wir heute noch loswollen, dann solltest du jetzt mit dem Umziehen anfangen.“

Völlig ungeniert wendet sie sich ihrem Schrank zu, entnimmt ihm die doppelte Haut, die Menschen, Robos und Droiden vor den meisten klassischen Verletzungen schützt, ohne dass der Körper an Haptik einbüßt. Diese erste Schicht verbirgt nichts, ist aber ein technisches Wunderwerk, das ihre Stiefschwester Sue mit ihrem Team entwickelt hat und permanent verbessert. Sie hat ein Händchen für bionische Lösungen realer Fragestellungen. „Schau auf die Natur. Sie hat, seit es sie gibt, so gut wie alle Fragen und Anforderungen mindestens einmal beantwortet und gelöst.“

Lisa-Louise kann dieser Sicht der Dinge sehr viel abgewinnen. Sich als Teil der Natur zu verstehen und nicht als jemand, der außerhalb oder über der Natur steht, ist integraler Bestandteil ihrer DNA. Vielleicht, weil sie diese Mutation so deutlich spürt, die sie alle haben. Vielleicht, weil es nicht Bürde ist, als die sie manche empfinden, sondern Aufgabe und Lebenssinn.

Er schämt sich und hat immer noch die Unterhose an. Breitbeinig stellt sie sich vor ihn.

„Zier dich nicht so. Hier ist deine zweite Haut. Ich drehe mich jetzt um und werfe mir den Kampfanzug über. Danach hast du diese Unterhose aus und die zweite Haut an. Sonst mache ich das für dich, und das willst du nicht, glaub mir.“

Sie dreht sich wirklich um, aber erst einmal um die eigene Achse, damit er sie nochmals in ganzer Pracht in sich einsaugen kann. Am Ende hört er ihr kaum unterdrücktes Glucksen und schämt sich noch mehr für seine Scham als alles andere.

Sie ist so schnell in den Combat-Anzug geschlüpft, dass er gerade die zweite Haut verschließt, als sie gestiefelt und gespornt umdreht.

„Nun mach meinen Augen eine Freude und dreh dich einmal um dich selbst. Wir Frauen mögen auch den Anblick eines schönen Männerkörpers.“

„Gefall ich dir denn?“

„Welch eine Frage!“

Sie geht zu ihm hinüber und gibt ihm einen geradezu verzehrenden Kuss.

„Und jetzt hau rein und mach dich fertig!“

– – –

Mithilfe des Gleiters und ihrer sog. ‚Sieben-Meilen-Stiefel‘ haben sie nur anderthalb Stunden gebraucht, bis sie am Eingang seiner kleinen Wohnhöhle stehen.

„Schön ist es hier. Du hast dir einen guten Platz herausgesucht.“

„Darf ich dich küssen?“

„Manchmal möchte ich dich durchschütteln, William Marin.“

„Darf ich nun. Oder darf ich nicht.“

„Will, du bist unmöglich.“

„OK, das ist mir jetzt nicht neu. Das wusste ich schon lange.“

„Küsst du mich jetzt, oder muss ich das wieder tun?“

„Wie wäre es, wenn du einfach tust, statt zu reden?“

Lisa-Louise tat. Und wie sie es tat!

Schließlich nimmt er sie bei der Hand und tritt durch das herabhängende Efeu, das den Eingang verbirgt, wenn man ihn nicht kennt. Auf der anderen Seite ist es gleich um mindestens fünf Grad kühler.

„Komm, wir setzen uns. Kennst du den Lotus-Sitz?“

„Nein, ich kann kein Yoga.“

„Dann setz dich so hin wie ich.“

„Das schaffe ich gerade noch.“

„Du bist frech, William Marin.“

„Du scheinst das zu mögen, Lisa-Louise.“

„Willst du nun etwas wissen oder nicht?“

„Natürlich will ich wissen, warum bei mir eine Schraube locker ist.“

„Bei mir ist keine Schraube locker. Bei dir auch nicht. Wir haben nur ein paar Schrauben mehr als der Rest der Menschheit.“

„Du kannst ja lustig sein!“

„Also, willst du etwas über dich, über uns, erfahren? Ja oder nein?“

Er schüttelt den Kopf, lächelt und setzt sich ihr gegenüber spiegelbildlich hin.

„Fein. Jetzt bleibst du still und entspannt sitzen und versenkst dich in dich selbst. Lass dich überraschen.“

– – –

Auf einmal setzen sich Fledermäuse in Lisas Handflächen und schmiegen sich hinein. Weitere nehmen auf ihren Schultern Platz und drücken sich an ihren Hals. Andere wuscheln in ihrem Haupthaar. Sie lässt es mit sich geschehen.

Kurz darauf geht es ihm genauso. In den Händen und in der Halsbeuge scheinen sich die kleinen Nachtsäuger ganz besonders wohlzufühlen. Eines der kleinen Monster hat sich in seiner Brusttasche gemütlich gemacht, und zwar in der linken. An der rechten nestelt gerade eine weitere Fledermaus.

Auch bei Lisa-Louise sind die Brusttaschen inzwischen bewohnt. Obwohl die beiden Brusttaschenbesetzerinnen an ihren Warzen spielen, bringt sie das noch mehr aus der Ruhe, als sie das dort sowieso schon ist. William, du weißt gar nicht, was du bei mir anrichtest.

Ich habe eine leise Ahnung, hört sie, aber mir, glaub mir, geht es schlimmer.

Wie das?

Du bekommst deine Hosen ohne Probleme zu. Im Gegensatz zu mir.

William! Übrigens, hörst du, wie unsere kleinen Wärmediebe die ganze Zeit zwitschern? Willst du verstehen, was sie zu besprechen haben?

Was hätte ich davon?

Erkenntnis?

Und dann ließ sie ihn an der Unterhaltung teilhaben.

„Ich habe noch nie zwei so große Fledermäuse gesehen“, sagt die eine der beiden, die in Lisas Handflächen sitzen.

„Aber der Mäuserich weiß noch gar nicht, dass er einer von ihnen ist.“

„Ob es die große Maus weiß?“

„Sie weiß es, und sie heißt Lisa.“

Die Fledermäuse fliegen auf und vollführen einen wilden Tanz um sie beide herum.

„Sie kann mit uns sprechen! Sie kann mit uns sprechen!“

– – –

Nach einigen Augenblicken wilden Gewimmels setzen sie sich wieder.

„Elsa, ich bin Elsa“, sagt die Fledermaus, die vorhin als Zweite gesprochen hat.

„Bist du die Chefin hier?“, fragt Lisa.

„Ja. Wer bist du?“

„Ich bin Wächterin und Heilerin der Familie Ernst McCormick. Meine Mutter ist die Marschallin der Energie und eine von uns.“

„Königin Lou ist deine Mutter.“

„So ist es.“

„Kann das Männchen da uns verstehen?“

„Noch nicht, aber ich übersetze und denke es zu ihm.“

„Kannst du auch zusammendenken? Ich habe davon gehört, aber noch nie jemanden getroffen, der das kann. Man erzählt die wunderbarsten Geschichten darüber.“

„Dürfen wir wiederkommen?“

„Gerne. Eure Hände sind so weich und warm. Und ihr beschützt uns. Weil ihr zu beiden gehört. Zu den Zweibeinern und zu uns Fledermäusen.“

„Gut. Wir bleiben noch ein bisschen.“

„Es freut uns, euch beide richtig kennengelernt zu haben.“

Sie sitzen noch eine Weile im geschäftigen Treiben der Fledermäuse, die sich an der Halsbeuge, in der Handfläche und den beiden Brusttaschen einmal durchzuwechseln scheinen. Damit auch ja jedes Familienmitglied einmal die beiden Menschenkörper genießen kann, die ihnen so fern sind. Und doch so nah.

William versinkt auf einmal in eine Art Trance. Die Augen fallen ihm zu. Eigentlich dürfte er nichts mehr sehen. Und doch erkennt er im Raum die Fledermäuse und auch andere Wesen, die im Dämmern der Höhle aktiv sind. Er wundert sich und denkt sich die Frage: Wie kann das sein? Und gibt sich die Antwort: Das ist mir früher schon einmal passiert, damals im Kinderzimmer, als die Bösen kamen. Ich habe sie gesehen und geschrien. Nachher sagten die Eltern, ich hätte schlecht geschlafen. Dabei habe ich gesehen, wie die vermummte Gestalt durch das halb geöffnete Fenster wollte. Es war doch so furchtbar schwül. Und dann hat sie der Schrei erschreckt, und sie ist abgestürzt. Es gab einen dumpfen Aufschlag, gedämpfte Flüche und hastiges Sich-Davonmachen. Am anderen Morgen fand der Vater einen Rucksack voll mit Diebesgut, das uns über mehr als einen Monat brachte, weil wir es gegen Essen tauschen konnten.

Langsam schlafen seine Füße und Unterschenkel ein.

Ja, denkt sie an seine Gedanken angeschlossen, wir können auch ohne offene Augen sehen. Wir haben den Ultraschall der Fledermäuse und mehr. Aber das erzähle und zeige ich dir später. Jetzt lass uns aufstehen, bevor uns noch die Füße und die Waden abfaulen.

Er prustet vor unterdrücktem Lachen, und die kleinen Nachtsäuger fliegen irritiert auf. Lisa beruhigt sie: „Wir müssen weiter, ihr Lieben“, sagt sie auf Fledermäusisch, „danke, dass wir bei euch verweilen durften.“

„Ich gebe euch Gabi mit. Sie wird den großen Fledermausmann begleiten und euch besser verstehen lernen.“

„Danke für diese Ehre. Bei uns zu Hause wartet Mats. Er kommt aus dem Stamm in der großen Höhle am Wasserfall. Dort habe ich meine Wächterinnen-Ausbildung abgeschlossen. Sie hat also einen Spielkameraden in ihrem Alter. Und wer weiß, vielleicht mögen sie sich am Ende.“

Der Abschied dauert etwas, ist aber mehr als herzlich.

– – –

„Lass uns zum Wasserfall laufen. Wir haben ja unsere Siebenmeilenstiefel an. Den Gleiter senden wir zurück.“

Er sieht sie an. Einer seiner Mundwinkel zuckt verdächtig.

„Wer schneller ist!“, ruft er, und schon ist er weg.

Sie ist einem kleinen Wettbewerb nicht abgeneigt. Eigentlich ist sie das erstens nie und hasst es zweitens, Zweite zu sein.

Drittens weiß sie, dass der liebe William nach der Karte im Helm-Computer laufen wird, und der wiederum wird von der superschlauen KI gefüttert. Ihr Vater hat diese KI in ihrer Grundform selbst entworfen und entwickelt. Genau dieser Vater hat sie davor gewarnt, nicht alles zu glauben, was die KI vorschlägt. Denn, so ist das nun einmal, sie weiß am Ende doch nur das, was man ihr als Datum und Information zur Verarbeitung gegeben hat.

Lisa-Louise kennt einen kürzeren Weg als ebendiese superschlaue KI, die sonst alles besser weiß. Nur eben diesmal nicht. Also ist es nur fair, ihm einen entsprechenden Vorsprung einzuräumen. Aber ihn gewinnen lassen? So weit geht die Nettigkeit nun auch nicht.

Jetzt habe ich dir genug Zeit zugegeben, dass du eine faire Chance hast, mein Schatz.

Sie klatscht in die Hände und macht sich auf den Weg und ist kurz darauf bei Maximalgeschwindigkeit. Mit über 80 Kilometern pro Stunde stürmt sie durch die Landschaft. Der Luftzug, der um ihre Nase fegt, macht sie glücklich. Ihre Wangen röten sich, ihre Augen glänzen und ihr Mund ist weit geöffnet.

Durch ihr Training ermüdet sie auch nach zwanzig Minuten nicht. Im Gegenteil: Sie beschleunigt sogar noch ein wenig und liegt inzwischen bei über 85 km/h.

Raleigh, die William begleitet, hat ihre Drohne gestartet. Lisa weiß, wo William ist. Mia ist in ihrer Nähe. Niemand geht in dieser Zeit ohne Schutz hinaus. Egal, wie gut er oder sie trainiert, ausgebildet und ausgerüstet sein mag.

Williams Assistenten und Guards sind bereits in der Produktion. Sie erwartet die beiden Kampfrobos und den Droiden täglich. Durch die Ausweitung des Personals der Energie wegen des Wachstums des Stammgeschäfts, der Energieerzeugung, müssen auch mehr Assistenten und Guards gebaut und geliefert werden. Die Kapazitäten jedoch sind begrenzt. Das bedeutet Lieferzeiten. Die Kundschaft grummelt leise und protestiert laut. Das ist nicht spaßig. Vor allem, wenn man im Ausfeld ist, also nicht in einer gesicherten Domäne wohnt.

Sie sieht bereits den Wald vor sich, der das Ende des Ermstals wieder bis fast hinauf zum Albtrauf erstreckt. In den letzten circa 30 Jahren haben sich manche Albtäler wieder begrünt und bewaldet. Das neue Wassermanagement ist der Schlüssel. Mommie und Daddy haben etwas Wunderbares begonnen. Ich bin stolz auf euch, ihr seid meine Helden!

Die Kamera der Drohne zeigt ihr, wo ihr Liebster ist. Inzwischen liegt er hinten und sie vorne. Doch dann wird sie der Zerstörung gewahr, die der Gewittersturm hinterlassen hat. Sie erkennt die Bahnen der Windhosen und eines Tornados. Auch wenn das Wäldchen beim Wasserfall nicht durch die Wirbelstürme erfasst wurde, hat der begleitende Hagel erhebliche Schäden hinterlassen.

Äste sind abgebrochen, Baumwipfel durchsichtig, weil die Blätter von den Ästen geschlagen wurden. Alles sieht zerzaust aus und wie gegen den Strich gekämmt. Die Pfade, Wege und Lichtungen sind voller Hagelschäden. Die Früchte wurden regelrecht aus den Kronen und den Büschen geprügelt. Ebenso ist es den Blüten ergangen.

Sie wird auf einmal traurig und setzt sich auf einen Felsen am Albtrauf. Der Blick ist gigantisch. Wäre nur der Anblick unter dem blauen Himmel und der sengenden Sonne ein anderer. Das Gewinnen ist ihr auf einmal so etwas von egal.

– – –

In sich versunken, wie sie ist in ihrer Trauer, merkt sie kaum, dass sich Mia neben sie legt und sie sanft anstupst. Als wollte sie ihr zu verstehen geben, dass sie nicht allein ist auf dieser schnöden Welt.

Auch wenn ihre Sinne erkennen, dass eine zweite Gestalt sich nähert, bleibt sie sitzen. Vornübergebeugt. Das Gesicht in den Händen. Mia steht auf, um den Neuankömmling zu begrüßen. Ihre Körperspannung bleibt entspannt. Ihr Atem ruhig. Eine Gefahr droht also nicht.

Die Person setzt sich auf die andere Seite neben sie. Mia lässt sich wieder näher. Ihr Schwanz bewegt sich langsam hin und her.

Eine Hand legt sich auf ihre Schulter. Der Körpergeruch des anderen beantwortet die Frage. „William“, flüstert sie und hebt ihr verweintes Gesicht. Sie leidet mit der Kreatur. Jeder Kreatur.

Er nimmt sie in den Arm und tröstet sie. Wer will schon ein Rennen gewinnen, wenn es größere und schönere Preise zu gewinnen gibt. Hier ist sie der Preis. Und was kann es Schöneres geben, als die seiner Ansicht nach hübscheste, genialste, beste und liebenswerteste Frau der Welt zu gewinnen.

Sie küssen sich. Sie halten sich.

Raleigh vertreibt die Wildhunde und erschreckt einen Braunbären. Den männlichen Berglöwen lässt sie in Ruhe. Sie weiß, dass Mia ein Auge auf ihn geworfen hat. Sie ist brünstig und im richtigen Alter.

Auch ihrer Herrin und Freundin ist das nicht verborgen geblieben. Manchmal ist die Großkatze seltsam unruhig. Als wäre sie hin- und hergerissen zwischen Bestimmung und Loyalität. Die Paarung ist essentiell für die Erhaltung der Art. Viele von ihnen gibt es auf dem Alten Kontinent nicht. Sie stammen aus den Beständen aufgegebener Zoos und Tierparks. Vielleicht aus den Häusern von irgendwelchen reichen Spinnern, die sie als Haustiere hielten.

„Lass uns zum Wasserfall gehen“, sagt sie auf einmal, „dorthin, wo alles begonnen hat. Lass uns dort feiern, dass das Schicksal uns seine Hände gereicht hat, um die unsrigen zu verbinden.“

Lisa-Louise nimmt William bei der Hand und geht hinüber zum Pfad, der sie an den Felsen gebracht hat.

„Komm her, Mia“, ruft sie, bevor sie auf den Weg in Richtung Wasserfall abbiegen müssen. Sie kniet nieder, legt ihre Stirn an die Stirn der Großkatze, die leise zu schnurren beginnt. Ihre Arme schlingen sich um den Oberkörper des Puma-Weibchens. Der Austausch beginnt.

Schließlich küsst sie die Berglöwin zwischen die Augen.

„Geh“, sagt sie zu Mia, „geh. Tu, was du tun musst, und verlass mich nicht. Bei mir sind deine Kleinen sicher. Doch das weißt du schon, Mia-Schatz.“

Sie winkt, als die Katze davontrabt. William sieht Lisa an und lächelt.

„Du weißt alles, nicht wahr? Schon, bevor es die anderen wissen.“

„Nichts ganz, Will. Aber ich habe eine gute Ahnung davon. Und das ist manchmal gut für die, die um mich, und manchmal ist es furchtbar für mich. Ich muss auch das Leid sehen und kann es nicht immer ändern. Das heißt, ich habe den doppelten Schmerz. Jedoch immer wieder auch die doppelte Freude.“

Als sie am Wasserfall ankommen, entkleiden sie sich mit ruhigen Bewegungen. Gehen unter das Wasser, das sie wunderbar abkühlt. Legen sich auf die Matten aus reißfesten Fasern, die denen entsprechen, die die zweite Haut bilden, den Anzug unter dem Anzug.

Danach küssen sie sich. Und lieben sich zum ersten Mal. Wie es alle Säuger auf dieser Welt tun. Fledermäuse, Mutanten, Berglöwen, Menschen. Alle. Ohne Einschränkung.

Die Nacht verbringen sie in der großen Höhle. Dort bleiben sie drei Tage. Bis Mia wieder zu ihnen stößt.

Ihre Unruhe ist verschwunden, und Lisa-Louise spürt, wie in der Großkatze neues Leben heranwächst. Sie ist schmusig wie selten und sucht die Nähe der Menschen, die zu ihr gehören.

Gabi und Mats, die beiden jungen Fledermäuse, sind sofort ein Herz und eine Seele. Wenn die Welt nicht wäre, wie sie ist, könnte man davon sprechen, das Glück sei über sie gekommen. Leider ist dem nicht so.

Denn die nächste Herausforderung wartet bereits hinter der nächsten Ecke. Bildlich gesprochen selbstredend. Aber dass sie wartet – das steht außer Zweifel. Und lang wartet sie nicht, damit es Lisa und William nicht zu wohl wird mit ihrer Turtelei.

Was davor geschah: https://batgenes.com/buecher-und-mehr/prequel-1-waechterin/

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